Miss Helvetia & Band
Freitag, 06. Dezember 2024
- 20:00
- Rössli ess-kultur Wolhusen
- Rössli ess-kultur
Muss man Volksmusik neu erfinden? Nein, muss man nicht. Aber man kann. Macht man es mit so viel Lust und Respekt, wie Miss Helvetia das tut, verdient das grössten Respekt. Und tönt richtig gut.
Es gibt zwei Sorten von Volksmusik-Fans: Die Puristen, die Schweizer Liedgut irgendwann in der Mitte des letzten Jahrhunderts eingefroren haben und kein Jota von der Tradition abweichen wollen. Und jene, die der Meinung sind, Volksmusik zu modernisieren sei nur mit pumpenden Beats machbar, die vor allem in österreichischen Skihütten gefragt sind. Oder mit Bläserkapellen bayrischer Prägung.
Die gute Nachricht für alle, die sich weder am einen noch am anderen dieser beiden Pole wohlfühlen: Aus dem Berner Oberland macht sich Barbara Klossner alias Miss Helvetia auf, eine Brücke zu schlagen zwischen den beiden Lagern. Oder besser noch: Die Lücke, die zwischen den Extremen klafft, mit viel Lust an guter Laune und genausoviel Liebe und Respekt für die Tradition zu befüllen.
Mit ihrem neuen Album «Volksmusig on the Rocks» geht Miss Helvetia den Weg weiter, den die begnadete Sängerin und Volksmusikerin im Jahr 2018 mit «E Guete – Bon appétit» eingeschlagen hat. Und doch ist das neue Album eine endgültige Abkehr von Schlager- oder Hüttengaudi-Gefilden. Keine künstlichen Beats mehr, dafür echte Instrumente mit Schlagzeug, Kontrabass, Handorgel, Gitarre, Trompete/Sax und Gesang. Ja: Hier dominiert handgemachte Volksmusik.
So kommt es, dass auf «Volksmusig on the Rocks» mit «Ängeli im Schnee», «Heb dr Sorg», «E Guete», «Locker Locker» und «Schnuderwiibli» zwar noch fünf Tracks zu finden sind, die schon auf dem Debut zu hören waren. Aber eben: So, wie sich die fünf Songs in neuen Versionen präsentieren, hat sie halt doch noch kaum jemand gehört: Frisch, frech, handgemacht und mit viel Spielfreude neu arrangiert. So passen die fünf Stücke wunderbar ins Ensemble des neuen Albums, bei dem der Titelsong «Volksmusig on the Rocks» natürlich den Ton und die Gangart setzt: Immer schön zügig voran, geprägt vom einzigartigen Jodel aus Barbara Klossners preisgekrönter JodlerinnenKehle, mit unbändiger Energie und noch mehr Emotionen.
Und wenn wir schon bei den Emotionen sind: Mit «Wenn die wilde Chirschböim blüje», diesem wunderbaren Jodelllied von Jakob Ummel, öffnet Miss Helvetia ihr Herz auf ihrem neuen Album weit, sehr weit. Schon als Jugendliche hat Barbara Klossner das Lied mit ihrer Mutter gesungen, begleitet von Ernst Dubi hat das Duett am Jodlerfest die Note «Sehr gut» erhalten – es ist ein Stück, das Mutter und Tochter bis in die Ewigkeit tief miteinander verbindet.
Mit «Dubach Güschtu» widmet Miss Helvetia einem zweiten Familien-Mitglied einen Song: Güschtu war ihr Grossvater und führte in Oey im Diemtigtal das «Bahnhöfli». Er war ein Original, wie man es nur im Berner Oberland findet, mit allen per Du – und machte weitum die besten Käseschnitten.
Auch der «GrimmiJutz» ist eine Hommage an die Heimat, das Tal, in dem Miss Helvetia lebt und das sie liebt. Und für dessen Erlebnisweg sie dieses wunderbare Stück fröhlicher Leichtigkeit komponiert hat und intoniert. Und trotzdem: Heimat ist ein Ort, der für Miss Helvetia nicht geografisch festgemacht werden muss. Viel mehr singt sie in «I läbe i mir», dass sie diese Heimat in sich drin trägt – ganz egal an welchem Punkt auf dem Globus sie gerade unterwegs ist.
A propos unterwegs sein: Abgerundet wird «Volksmusig on the Rocks» vom Lied für die legendäre «Gilberte de Courgenay» - ein Lied, das den Schweizerinnen und Schweizern den Jura tief in die Herzen gebrannt hat. Ein Lied auch, das zeigt, was möglich wäre, wenn Soldaten mehr singen und weniger schiessen würden. Und ein Lied, das ganz typisch Miss Helvetia ist, die mit ihrer wunderbaren Musik scheinbar spielend Sprach- und andere Grenzen überwindet. Nicht umsonst ist die Diemtigtalerin auch ennet dem Röstigraben ein gefeierter Act.